Gedanken zum 27.2. (Donnerstag der 7. Woche im Jahreskreis)
„Heiliger Gott, du liebst die Unschuld“ – diese Feststellung steht wie ein Fanfarenstoß am Beginn des heutigen Tagesgebets und mit ihr öffnet sich vor unserem geistigen Auge das ganze Panorama der Heilsgeschichte. Wir blicken zurück auf die ersten Tage der Unschuld, von denen die ersten Kapiteln des Buches Genesis berichten. Es sind die ersten Tage der Schöpfung: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ (1,31) Der heilige Gott hat den Kosmos und die Welt, Natur und Mensch und Tier ursprünglich gut und unschuldig geschaffen und alle Völker und Kulturen haben in der ein oder anderen Weise den Gedanken an das verlorene Paradies, an das goldene Zeitalter der Menschheit, an die Tage der Unschuld bewahrt. Und bis heute bleibt es für uns letztlich rätselhaft, warum Gott es zugelassen hat und bis heute zuläßt, daß seine Geschöpfe ihre Freiheit zum Bösen mißbrauchen und sich gegen ihren Schöpfer auflehnen. Damit sind die Tage der Unschuld zu Ende und auf eine bösartige, unheilvolle Weise wird seither jeder Mensch, mag er auch ohne persönliche Schuld sein, in den Zusammenhang der Schuld und des Bösen hineingeboren. Diesen Zusammenhang der Schuld und des Bösen nennen wir die Erbsünde, ihre Folge ist der Tod. Die Wirklichkeit und die Macht des Bösen sind gegenwärtig – schauen wir nur in unsere Welt, schlagen wir die Tageszeitung auf. Das war auch niemals anders, und doch ahnten bereits die Menschen des Alten Bundes, daß der heilige Gott es dabei nicht wird bewenden lassen, daß er etwas unternimmt, um den Menschen die verlorene Unschuld von neuem zu schenken. Er wird den Messias senden, er wird ein neues Reich des Friedens aufrichten und dann werden die Tage der Unschuld wiederkehren. Der Prophet Jesaja etwa kommt richtig ins Schwärmen, wenn er an diese Verheißung denkt: „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frißt Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.“ (11,6-9) Der heilige Gott liebt die Unschuld – denn sie entspricht seinem Wesen. Der Unschuldige trägt nichts an sich, was Gott fremd ist, er ist ganz und gar erfüllt von Gottes Leben, von seiner Liebe, von seiner Heiligkeit. Wie sehr haben die Menschen des Alten Bundes, wie sehr haben sich die Menschen aller Völker, aller Religionen danach gesehnt, in diesem Sinne Unschuldige zu werden: Menschen, die Gott gefallen; Menschen, die vor Gott gerechtfertigt sind; Menschen, die Gott erreichen, berühren können. Aber diese Sehnsucht blieb letztlich immer unerfüllt. So lange, bis Gott selbst den entscheidenen Schritt tat, um uns die verlorene Unschuld von neuem zu schenken. Und dann, im Neuen Bund, erblicken wir den ersten wirklich unschuldigen Menschen; den ersten Menschen, der wirklich ganz und gar vom Leben und der Liebe Gottes erfüllt ist, sozusagen die Personifikation des Paradieses: Maria, die jungfräuliche Muttergottes, die uns das Leben selbst geschenkt hat, ihren Sohn Jesus Christus, den menschgewordenen Gott. Er öffnet uns durch seinen Tod und seine Auferstehung die so lange verschlossene Tür: die Tage der Unschuld kehren wieder, das Paradies rückt in erreichbare Nähe, nur ein Augenblick trennt uns von der Ewigkeit, die jetzt nicht mehr Tod und Untergang, sondern Leben und Erfüllung und Glück bedeutet. Und wir müssen nichts anderes tun, als dieses Geschenk entgegenzunehmen! Gott schenkt uns die Unschuld wieder, wenn wir reumütig zu ihm heimkehren, wenn wir die Wege des Bösen verlassen und uns ausstrecken nach ihm. Aber selbst die Umkehr ist nicht unsere eigene Leistung, sondern Geschenk und Gabe Gottes. Deshalb bitten wir ihn: Wende unser Herz zu dir. Der heilige Gott selbst soll unser Herz berühren, es öffnen, es wenden, damit es ganz von der Liebe und dem Leben Gottes erfüllt werden kann. Wie im berühmten Gleichnis vom barmherzigen Vater deutlich wird, bedeutet Umkehr immer Heimkehr, wer sich öffnet für das Geschenk der Umkehr, der kehrt heim, der kommt nach Hause, der kehrt zurück aus der Fremde, aus der Verlorenheit, aus der Einsamkeit in die gastliche Gemeinschaft des wahren Vaterhauses. Das so von Gott geöffnete und verwandelte Herz wird erfüllt mit den Gaben des Heiligen Geistes. Wir beten um den neuen Eifer, den der Geist uns schenken soll. Als Christen sollen wir begeistert sein, eifrig, bemüht, engagiert, voller Tatendrang. Wir sollen brennen, leidenschaftlich und ausdauernd und nicht schlapp und gleichgültig, bequem und träge in unserer Komfortzone herumhängen. Zwei wichtige Konsequenzen dieses Eiferns im Heiligen Geist benennt unser heutiges Tagesgebet: die Standhaftigkeit im Glauben – denn „ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, muß glauben, daß er ist und daß er denen, die ihn suchen, ihren Lohn geben wird.“ (Hebr 11,6) Auf den Glauben also kommt es erstens an und zweitens auf die Frucht des Glaubens, auf die Konsequenz der geschenkten Umkehr: auf unsere Tat, auf unser Bemühen, auf unsere Bereitschaft, das Gute zu tun und Tag für Tag, in kleinen Schritten und mit unseren bescheidenen Möglichkeiten der Wirklichkeit des Bösen immer wieder das Gute entgegenzusetzen. Schauen wir dabei auf Maria, den ersten wirklich unschuldigen Menschen. In ihr wird die Verheißung des Paradieses Wirklichkeit und sie ist diejenige, die uns beschützt, trägt, behütet und unter ihrem Schutzmantel birgt und uns so begleitet in unserem Bemühen um den rechten Eifer im Heiligen Geist und in unserer Bereitschaft, das Gute zu tun.
Heiliger Gott, du liebst die Unschuld und schenkst sie dem Sünder zurück, der reumütig zu dir heimkehrt. Wende unser Herz zu dir und schenke uns neuen Eifer im Heiligen Geist, damit wir im Glauben standhaft bleiben und stets bereit sind, das Gute zu tun. Darum bitten wir durch Jesus Christus.